Hirschhorner Klaviertrio gastierte im Kapitelsaal des Karmelitenklosters
(bro) (khm) Im Rahmen der Karmel-Abende gastierte am 29. Oktober das Hirschhorner Klaviertrio im Kapitelsaal des Karmelitenklosters in Hirschhorn. Zur Aufführung gelangte mit der Pianistin Michaela Elkenhans, der Geigerin Theresa Lechner und der Cellistin Maria Lechner Peter Tschaikowskys monumentales Klaviertrio a-Moll, Op. 50, komponiert 1881 - 82 „à la mémoire d´un grand Artiste“ (sc. Nikolaj Rubinstein 1835 - 81 Pianist, Dirigent, Bruder des berühmteren Anton R. 1829 - 94).
Tschaikowsky schätzte die Triogattung eigentlich nicht. Der Zusammenklang von Geige, Cello und Klavier störe seine Hörorgane. Klavier wollte er sich nur solistisch, Lied begleitend oder im Wettstreit mit einem Orchester vorstellen. Die Komposition seines einzigen Klaviertrios ist so mehr oder minder seiner Gönnerin Nadjehsda von Meck, der Witwe des deutschbaltisch-russischen Eisenbahnunternehmers Karl von Meck (1821-76), zu verdanken, die selbst Klavier spielte und es bedauerte, dass Tschaikowsky in der von ihr bevorzugten Gattung noch kein Werk geschrieben habe.
Das so entstandene Klaviertrio weist nur zwei, aber sehr weiträumige Teile auf: I. Teil „Pezzo elegiaco - Elegisches Stück“ und II. Teil „Tema con XI (X) Variazioni - Variazione Finale (XII) e Coda“. Dem Publikum bot sich in Hirschhorn die Gelegenheit, dieses beeindruckende Werk einmal (wieder) zu hören und sich auch die enorme Leistung seiner Einstudierung und Ausführung zu vergegenwärtigen. Der mit der Uraufführung 1882 betraute Sergej Tanejew (1856 -15) schrieb schon dazu an Tschaikowsky: „Ich habe Ihr Trio dreieinhalb Wochen lang studiert und es täglich sechs Stunden lang gespielt. Ich erinnere mich nicht, jemals einen größeren Genuss beim Studium eines neuen Werks gehabt zu haben.“
Wegen seiner furiosen Musik, die an ,marcatissimo’ und ,sempre fff’ nicht spart, hatte Tschaikowsky zu seiner Zeit allerdings auch herbe Kritik einstecken müssen. Eduard Hanslick, (1825 – 1904), großer Musikästhet des 19. Jahrhunderts, der indes auch fehlerhaft urteilte und kein Freund Wagners und Tschaikowskys war, hatte des Letzteren Musik - etwa sein Violinkonzert - auf eine Art und Weise niedergemacht, wie es heute wohl niemand mehr wagen würde. Hanslick hörte in Tschaikowskys Musik „ein seltsames Gemisch von Originalität und Rohheit, von glücklichen Einfällen und trostlosem Raffinement“ heraus. Da werde „nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebleut“. Diese Ausfälligkeit verzieh Tschaikowsky, obwohl sonst allzeit versöhnlich, zu Recht nie, und wir verstehen sie wohl auch nicht. Die Zuhörer dieser Trioaufführung konnten dagegen das Kräftige und Gefühlvolle des Werks erspüren und sich der gewaltigen künstlerischen Leistung des Komponisten bewusst werden, der hier zweifellos ein Meisterwerk geschaffen hatte.
In seinem ersten Satz, dem „Elegischen Stück“ wussten bei all seinem Melodienreichtum die drei Instrumentalistinnen sich besonders gut zu profilieren: z. B. in den beiden Hauptmelodien: etwa der anfänglichen und dann immer wieder auftauchenden, elegisch schwermütigen Kantilene in a-Moll), die man für eine der glücklichsten thematischen Erfindungen Tschaikowskys hält. Ebenso wurde beeindruckend herausgestellt das mit der ergreifend schönen Kantilene kontastierende zweite so triumphal einsetzende und strahlend jubilierende zweite Hauptthema (in E-Dur). Dabei wurde man infolge der Selbstverständlichkeit der Darbietung kaum der enormen spieltechnischen und musikalischen Anforderungen gewahr, welche das Trio bewältigte, sei es, dass man an den virtuosen Klavierpart denkt, den Michaela Elkenhans abwechselnd mit lyrischer, elegischer Gesanglichkeit zu vertauschen hatte, oder man bewunderte die vieltaktigen Celloarpeggien, deren mühelose Bewältigung durch Maria Lechner deren Schwierigkeit vergessen ließ, oder man staunte über das sicher hochsteigende Triolenwerk der versierten Violine Theresa Lechners. Dazu kam noch die abwechslungsreiche musikalische Gesamtgestaltung, die dem Satz durch ,accelerando’ und ,allargando’, durch ,marcatissimo’ und ,pesante’ ein so vielfältiges Gesicht verlieh.
Die erstaunliche spieltechnische und musikantische Leistung setzte sich auch im Variationensatz fort. Gleich fiel hier das volkstümlich schlichte Thema einer russischen Liedweise auf, das vom Klavier allein vorzutragen war. Schon dieses vollendete Spielen des Einfachen zeigte die musikalischen Qualitäten der Pianistin exemplarisch auf. Da war alles gesanglich und mit Bewegung vorgetragen, wobei sich ein piano-Akzent genau von einem forte-Akzent unterschied, ein piano ebenso präzise von einem poco più forte. Es schlossen sich an die elf Variationen, die von einer zwölften in selbständigem Satz beschlossen wurden, Hier wie dort das getragene Thema zu Anfang, dann die Variationenvielfalt, wobei die letzten durch ihre Zurückhaltung furiose Abschlüsse ankündigten. Dann noch der Übergang in den Trauergesang des Lugubre (Trauernd) am Schluss), der an den frühen Tod des befreundeten Widmungsträgers N. Rubinstein erinnern sollte und uns auch an Tschaikowskys frühes Lebensende mit 53 Jahren als sinnloses Seuchenopfer erinnern könnte.
Auf die ersten drei Variationen (Thema in der Violine mit Klavierumspielungen, Thema im Cello mit Violinumspielungen, Thema im Klavier, originell rhythmisiert), die zuerst die Pianistin (I), dann den Geiger (II) und wiederum das virtuose Klavier (III) hervortreten ließen, folgte Variation IV, ein Scheinkanon. Diese zeigte meisterlich kontrapunktisches Zusammenspiel des Trios. Die Spieldosen- oder auch Mondscheinmusik (V) in hoher Klavierlage über einem Streicherorgelpunkt klang makellos.
Da Tschaikowsky - siehe seine Streicherserenade (C-Dur, Op. 48) - eine große Vorliebe zum Walzer hatte, die der des Publikums und wohl auch der der Künstler entsprechen mochte, war die graziöse Walzervariation (VI) besonderer Hörergenuss, wobei der schwelgerische Streicherklang und hier wieder besonders das sonore Cello von Maria Lechner, dazu die musikalische Gestaltung überhaupt, das Stück und die Walzerseligkeit nicht lange genug sein ließen. Nach der akkordischen Variation VII in achtstimmigem Klavierklang war dann zu hören, die große dreistimmige Fuge mit Violin-, Cello- und einer Klavierstimme, bei der die linke Hand die rechte nur oktavisch verstärkt, eine unerhörte Konzentrationsleistung der Pianistin.
Tschaikowsky hatte selbst der Variation das Wasser abgegraben mit der Partituranmerkung „Cette variation peut être passée - diese Variation kann übergangen werden“, was schon oft - bis zu CD-Aufnahmen hin - auch geschehen ist, nicht aber hier. In der gedämpft gespielten Variation (IX) mit ihren träumerischen Harfenarpeggien - was so alles ein Flügel leisten kann - und in der volksverbundenen Mazurka (X) mit ihren vielen Pianostellen und -kadenzen war die Pianistin immer erneut gefordert, ohne dass ihre Konzentration nachgelassen hätte, bis nach der erholsameren Variation (XI) mit Violinthema und Cello-Pizzicato die letzte (XII), die „Variazione finale e Coda“ losbrach, in der das Trio ein letztes Mal in äußerster Konzentration, Virtuosität und Spielfreude auftrat - nicht ohne in einem Trauermarsch mit dem schwermütigen „Lugubre - Trauernd“ (des Trioanfangs) - in a-Moll und ppp (pianpiano possibile) und a-Moll zu enden.
Danach Momente ergriffenen Schweigens, bis verdienter der Beifall des zahlreich gekommenen Zuhörerschaft sich immer mehr steigerte, nicht enden wollte, und das Trio mit der „Kantilene“, dem ergreifenden Hauptthema des Trios, als Zugabe sich verabschiedete, dem sich Aloisia Sauer für die Veranstalter und der Hausherr Pater Alexander mit kurzen Dankes- und Segenworten anschlossen.
31.10.23
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